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Warum hat die
Jugend kein
richtiges Interesse für Natur? |
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(Quelle: Infozeitung "Nationalpark Berchtesgaden" Nr.16/2004) Das Bambi ist lieb und die Ente gelb Die statistischen Erhebungen
des Marburger Natursoziologen Prof. Rainer
Brämer sind desillusionierend:
Die Jugend verniedlicht die Natur und verliert das Interesse an ihr. Naturerfahrung - hat das einen Effekt, oder ist das reine Wellness? Was erreicht man mit Naturerfahrungens-Programmen? Welche Zukunftschancen haben diese angeleiteten Formen der Naturerfahrung? So lauteten die Kernthemen der Tagung "Naturerfahrung", die das Forum Umweltbildung und das Institut für Didaktik der Naturwissenschaften der Universität Salzburg kürzlich veranstaltet haben. "Die zentrale Frage in der Umwelterziehung lautet häufig: Welche Naturerfahrung brauche ich für ein positives Umwelthandeln?" sagte Professor Brämer und spitzte diese Frage noch zu: "Welche Rolle spielt die Natur für Kinder und Jugendliche überhaupt?" Die Antwort fiel anhand der erhobenen Daten (siehe fünf Kästen unten) ernüchternd aus: Junge Menschen pflegen das "`Bambi-Syndrom` als eine Verniedlichung der Natur als etwas Liebes, Süßes, dem man nichts antun darf". Zugleich aber wächst ihr Desinteresse an der Natur, verstärkt noch durch die Naturschutzgebote und alles, "was man nicht tun darf". Am schwersten wiegt, dass die meisten Jugendlichen "keinen Begriff mehr vom Nützen der Natur haben. Sie wissen nicht, dass wir massenhaft nutzen müssen, um massenhaft leben zu können. Das ist von den Überlegungen völlig ausgeklammert." Fazit: Eine stetig anwachsende Naturentfremdung ohne realistische Aussicht auf baldige Kurskorrektur. Brämer erhärtete den Befund für diese Fehlentwicklung mit repräsentativen Erhebungen, deren Ergebnisse seit Jahren der "Jugendreport Natur" und das Umweltbundesamt veröffentlichen. Beispielsweise ist nach dem jüngsten Stand dieser Statistiken für 90 Prozent der Jugendlichen das "Bäumepflanzen" positiv, hingegen für 70 Prozent das "Bäumefällen" schädlich. Sie verstehen nämlich nicht mehr "den Zusammenhang, dass die Bäume gepflanzt werden, damit sie gefällt werden können". Daher das Urteil: Die Natur ist gut, der Mensch aber böse. Weil dieser Zusammenhang übersehen wird, geraten Schützen und Nützen in Gegensatz zueinander: "Viele Jugendliche verurteilen die Nutzung der Natur moralisch. Das führt zum 'Schlachthaus-Paradox', dass die Forstwirtschaft extrem negativ besetzt oder der Jäger von 40 % als Tiermörder gesehen wird." Dieses "Schlachthaus-Paradox" entsteht, weil Jugendliche die wirtschaftliche Nutzung der Natur ablehnen und so die Einsicht in den Zusammenhang von nachhaltiger Aufzucht und Nutzung verlieren: Man billigt die Aufzucht von Tieren und Pflanzen, genießt die daraus hergestellten Produkte, diffamiert aber die Produktion. Statistisch ausgedrückt: Nur ein Viertel der jungen "Fast-Food-Generation" bewertet das Mästen von Schweinen und Schlachten von Tieren als "lebenswichtig", der große Rest verspeist "Hamburger" ohne einen Gedanken daran, dass dafür Schweine ihr Leben lassen mussten. Es liegt also auch an der arbeitsteiligen Gesellschaft und am Bildungssystem, dass der Zusammenhang zwischen Natur, Nutzung der Ressourcen, Herstellung von Produkten und Kosum verloren geht. Das blockiert den Zugang zum Verständnis des nachhaltigen Wirtschaftens, das nicht mehr verbraucht, als erneuerbar ist. Brämer leitet von diesem Tatbestand Vorschläge an die Praktiker der Naturdidaktik ab: "Naturerleben nicht inszenieren, sondern Kindern und Jugendlichen authentische Naturerfahrung - auch einmal querfeldein - ermöglichen. Selbst wenn die Eltern hier wahrscheinlich aufschreien, sollen auch die Gefahren der Natur erlebbar und Erkundungen des Unbekannten möglich gemacht werden. In Waldkindergärten etwa können Kinder ein Eigenleben in der Natur entfalten. Da braucht es gar keine besonderen Angebote." Insgesamt unterstreichen alle diese Analysen und Statistiken, dass der Widerspruch zwischen Sachunkenntnis und geradezu ersatzreligiöser Überhöhung der Natur die Entwicklung weg von unseren natürlichen Grundlagen beschleunigt. Ansätze zu einer Entschleunigung bieten zwar Nationalparks und die Nationalparkdidaktik, doch beider Reichweite ist trotz ihrer fundamentalen Bedeutung in der "fast-foodisierten" Gesellschaft noch zu gering. Brämers Schlussfolgerung: "Für den Nachwuchs wäre ein individueller Naturzugang zweifellos weit wichtiger als der Laptop für jedes Kind." |
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